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Donnerstag, 11. Juni 2020

Wie das Arbeiten der Zukunft aussehen kann

Hybride Zusammenarbeit: online und offline, gleichzeitig und im eigenen Rhythmus. Vom Digitalisierungsschock zum Erfolgsmodell.

Drei Monate sind nach den ersten gravierenden Einschränkungen hierzulande vergangen. In der Zeit war vermutlich nicht nur meine Lernkurve so steil wie seit Lauflernzeiten nicht mehr. Die Schlachten um die besten Tools sind geschlagen, die ideologisch aufgeheizten Debatten um Datenschutz bei Zoom & Co. endlich abgeflaut. Was bleibt?

Ich habe mittlerweile eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sich hybride Formen der Zusammenarbeit so gestalten lassen, dass sie effektiv sind, nicht ermüden und sogar Spaß machen. Das gilt für kleine Teams wie für große Gruppen und Netzwerke. Selbst ausschließlich online lässt sich eine Community zusammenschweißen, das habe ich in den vergangenen Wochen erleben dürfen.

Ob die Zusammenarbeit gelingt, liegt nicht nur an der Technik und ob ich sie beherrsche. Das lässt sich mit etwas Geduld nämlich viel schneller lösen, als digital ungeübte Menschen das oft befürchten. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob ich Vertrauen schaffen kann und es mir gelingt, dass meine Mitstreiter*innen das enge Zoom-Fenster gedanklich hinter sich lassen. Und das geht auf vielerlei Weise. Kein Mensch muss - oder sollte! - über einen längeren Zeitraum wie festgeschraubt vor dem Bildschirm sitzen und in die Kamera starren. Ich war in Zoom-Meetings schon ein Elefant, ich habe geturnt, habe Gegenstände von einem Zoom-Fenster zum nächsten virtuell weitergegeben oder den Raum dahinter erkundet, und ich bin von der Vergangenheit in die Zukunft und zurück in die Gegenwart gelaufen. Indem ich möglichst viel Anfassbares integriere, dem Smalltalk und den zwischenmenschlichen Details einen Platz einräume oder indem ich auch mal einfach auffordere, die Kamera aus- und die Musik einzuschalten während des Arbeitens, verliert sich das Zwanghafte.

Einen großen Gewinn aus der veränderten Arbeitsweise sehe ich darin, dass ich vereinbarte Arbeitsziele nicht mehr in Workshops lösen muss, die mein Auftraggeber auf lediglich einen halben oder einen Tag zusammengedampft hat. Stattdessen kann ich das Prozessdesign auf beispielsweise eine Woche ausdehnen, die ich durch kurze gemeinsame Calls strukturiere, und wo die Teilnehmer ihre Beiträge jeweils dann leisten, wenn sie Zeit und Ruhe dazu haben. Das nimmt Druck, und trotzdem kann ich dem qualifizierten Dialog Raum geben. Die gemeinsame Zeit ist dort gut eingesetzt, wo das Community Building stattfindet. Das empfinden viele Menschen dann als bereichernd. Die meisten anderen Elemente der Zusammenarbeit kann ich auch anders organisieren.

Nicht dass hier jetzt ein falscher Eindruck entsteht: Meinen ersten Präsenz-Workshop vor zwei Wochen habe ich sehr, sehr genossen. Die persönliche Begegnung ist für mich unersetzlich. Aber die beglückende Erfahrung der letzten Wochen ist, dass auch das Andere gut funktioniert. Manchmal sogar besser.

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