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Dienstag, 19. August 2014

# Regen in Münster – die medialen Wellen nach dem Unwetter

Schlechte Stimmung folgt auf Euphorie und Solidarität / Bilanz-Berichterstattung lenkt den Blick wieder auf das Erreichte

Die Stadt Münster zog jetzt mit der offiziellen Bilanz der Schadensbeseitigung – 10 000 Tonnen Sperrmüll in drei Wochen – einen vorläufigen Schlussstrich unter den Jahrhundertregen, der die Stadt am 28. Juli unter Wasser und in einen Ausnahmezustand versetzte. Während an den Straßenrändern die Sperrmüllberge zum zweiten Mal anwachsen, lässt sich Interessantes über die Berg- und Talfahrt der Berichterstattung beobachten.

Fieberkurve der Berichterstattung

Aus der Krisenkommunikation kennen viele die typische Fieberkurve: Direkt nach dem Ereignis schießt die Berichterstattung zu einem ersten Gipfel hoch. Nach etwa 48 Stunden folgt ein zweiter Gipfel, wenn man mit ersten Hintergrundberichten nachlegen kann. Danach flaut die Nachrichtenflut ab, und bevor das Thema einen langsamen Tod stirbt, bäumt es sich bisweilen noch ein- bis zweimal auf. Danach bleibt es oft nur noch in Expertenforen oder bei den betroffenen Gruppen präsent.

In Münster überbieten sich die Nachrichten ebenfalls zunächst: Rekord-Regenmengen, der Luftmatratzen-Surfer am Rosenplatz, Regenopfer in ganz Münster. Die rasch gegründete Facebookgruppe „Regen in Münster“ schafft umgehend eine solide Struktur, die das Thema im Netz trägt. Die zweite Welle behandelt die anlaufende Hilfe: private Solidarbeiträge wie auch die unkompliziert gemeinte städtische Soforthilfe, die vor dem Sozialamt zu medienwirksamen Tumulten führt. Doch bei der „zweiten Welle“ bleibt es nicht.

Ermattung: Die Stimmung kippt

Mit einer guten Woche Abstand zum großen Regen droht die Stimmung zu kippen. Das Thema Missbrauch wird lauter: Wer besorgt sich privat gespendete Möbel und Hausrat, obwohl die Familie gar nicht vom Regen betroffen war? Wer stellt sich gleich mehrfach in der Schlange für die städtischen Gelder an? Als dann die Politik die richtigen Symbole vermissen lässt und anstelle der NRW-Ministerpräsidentin nur Minister Groschek kommt, der keine Hilfe verspricht, macht sich mit der Müdigkeit die Ernüchterung breit. Die Münsteraner fühlten sich im Stich gelassen. Der Sperrmüll türmte sich immer noch meterhoch an den meisten Straßenrändern, viele haben Sondermüll, Bauschutt und alte Farbeimer dazugestellt. Bei der Facebookgruppe sei der Spaltpilz am Werk, wird außerdem gemunkelt – was die Wirklichkeit nicht spiegelt: Die Koordinatoren und Helfer der Gruppe „Spenden für Regen in Münster“, die in einer Halle in Münster-Handorf Freiwilligeneinsatz leisten, helfen sehr freundlich und kompetent. Für außen stehende Beobachter keine Spur von schlechter Stimmung in der realen Welt zu erkennen.

Bilanzbericht lenkt den Blick wieder um

Mit der Sperrmüllbilanz der Abfallwirtschaftsbetriebe hat die Stadt in ihrer Pressearbeit nochmal eine wichtige Zäsur gesetzt, und die Medien sind aufgesprungen (z.B. der WDR, „# ihr seid die besten“, http://bit.ly/1pXBsEy): Angesichts der Dimensionen der Unwetterfolgen fängt die Bilanz-Berichterstattung die Befindlichkeiten gut auf und erlaubt den Blick auf das Erreichte. Das stärkt.
Im Netz läuft das Thema #RegeninMünster jetzt in friedlichen Bahnen. Unter dem Stichwort finden sich bei Twitter Berichte über das letzte Benefizkonzert. Auf Facebook dreht es sich am Wochenende sehr pragmatisch um Hilfe beim Ausräumen gefluteter Keller. Die Fieberkurve ebbt ab.

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