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Montag, 12. September 2022

Den Handwerkern zuhören

Was ich an meinem Job so mag, sind die Gelegenheiten, die mich aus meiner - bisweilen reichlich intellektuellen - Blase herausholen.

Foto: Handwerksakademie (c)

Am letzten Wochenende durfte ich in Raesfeld die 75-Jahr-Feier der Handwerksakademie, verbunden mit der Entlassfeier für die Absolventen der Akademie aus den vergangenen vier Jahren, moderieren.

Zwar klagen viele über den Mangel an Handwerkern, dass sie immer teurer werden und man keine bekommt. Aber so richtig interessiert sich (in meinem Umfeld jedenfalls) kaum jemand fürs Handwerk. Was auch die Handwerker merken. Der junge Mensch, der sich von mir hat interviewen lassen, konnte gut gelaunt preisgeben, dass er in seinem privaten Umfeld ein ziemlich dickes Fell brauchte für die Geringschätzung seiner beruflichen Entscheidung im Abiturientenkreis. Jetzt ist er Geschäftsführer eines ziemlich großen Betriebs, den er gerade grundlegend digitalisiert.

An der Akademie können sich Handwerker:innen betriebswirtschaftlich und kaufmännisch fortbilden lassen. Aber sie können sich auch zu Restaurator:innen im Handwerk ausbilden lassen. Und das ist eine ziemlich bunte Truppe aus Maurern, Stuckateuren, Zimmerern, Malern usw. Vor allem die selbstbewussten Frauen in diesem Kreis haben mich beeindruckt, etwa die Künstlerin und Atelierleiterin an der FH Münster, die auf dem Umweg über ein Lehramtsstudium Malermeisterin wurde. „Wir brauchen das Haptische, um uns in dieser zunehmend digitalen Welt zurechtzufinden", sagt sie. Genauso klar die Zimmerermeisterin und Baubiologin, die versucht, Holz und Lehm im Hausbau zu profilieren, um den Klimaschutz zu befördern.

Das war ein großes Zelt voller praktisch begabter, positiver und zukunftsbereiter Menschen an diesem Samstag. Sie wünschen sich mehr Rückhalt für das Handwerk - von der Politik und in der Schul- und Ausbildungslandschaft, damit Ausbildungen im Handwerk nicht länger als Notlösung oder Karrierewege zweiter Klasse angesehen werden. Ich finde, wir müssen Handwerker:innen mehr zuhören.

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